Kritik an Putin unerwünscht

Anlässlich des russischen Angriffs auf die Ukraine demonstrierten in Frankfurt Hunderte gegen Putin, und einige Dutzend gegen die NATO.

Kritik an Putin unerwünscht

Am Mittwoch, dem 24. Februar 2022 befahl Russlands Machthaber Wladimir Wladimirowitsch Putin seinem Militär, die Ukraine zu überfallen. Die Invasion sorgte auch in Ostbrandenburg für Entsetzen. „Mit dem Angriff auf die Ukraine hat die russische Regierung den Pfad der Diplomatie verlassen und sich für Leid durch Panzer und Bomben entschieden“, schreibt die Kreisverwaltung von Märkisch-Oderland in einer Pressemitteilung. „Die Narben des Zweiten Weltkrieges haben sich tief in unsere Region gegraben. In unserem Generationengedächtnis sind Krieg und Vertreibung fest verankert. Diese, unsere Geschichte verlangt es umso mehr von uns, sich für Frieden einzusetzen.“ Der Landkreis bereitet sich die Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge vor.

Auch die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) verurteilt den Angriffskrieg des russischen Regimes. „Die Universität solidarisiert sich mit ihren Studierenden, Partnerinnen und Partnern sowie Freundinnen und Freunden aus und in der Ukraine“, teilt die Pressestelle der Viadrina mit. Noch am selben Tag riefen die Vereine „Słubice-Frankfurt-Pride“ und „Queer nad Odrą“ zu einer Kundgebung an der Stadtbrücke auf. Dort zeigten Menschen von beiden Seiten der Oder ihre Solidarität mit der Ukraine.

Zwei Stunden vorher begann eine zweite Kundgebung vor dem Frankfurter Bahnhof. Diese Aktion planten das „Frankfurter Friedensnetz“ und die Linkspartei schon vor Kriegsbeginn. Die Organisatoren fordern Abrüstung und Truppenabzug - aber nicht von Putin, sondern von der NATO. Zwar gestand Reinhard Schülzke, Anführer des Friedensnetzes, wegen der aktuellen Entwicklung umdenken zu müssen. „Russlands Präsident Putin hat einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen“, gab Schülzke zu. Wenig später kritisierte er sämtliche Sanktionen gegen den Aggressor. Diese würden nur die russische Bevölkerung treffen, und seien am Ende wirkungslos.

Andere Redebeiträge handelten von „gegenseitiger Propaganda“, „westlicher Provokation“ und weiteren Verschwörungstheorien. Die Ausdehnung der NATO nach Osten verstoße laut mehrerer Redner gegen einen Vertrag mit der Sowjetunion. (Anmerkung des Autors: Ein derartiger Vertrag existiert laut führenden Historikern und eigenen Nachforschungen nicht.) Selbst die Behauptung, die amerikanische Regierung stecke hinter dem 9/11-Anschlag auf das Word Trade Center in New York, fand Applaus bei vielen der zirka fünfzig Demonstrierenden.

Kritik an Putin schien bei dieser Veranstaltung unerwünscht. Ein paar Ukraine-Fahnen duldeten die anderen Anwesenden. Aber eine kleine Gruppe Studentinnen und Studenten mit Transparenten, auf denen „Stop Putin“ und „Stop Dictators“ stand, wurde sofort angefeindet. Ein älterer Deutscher beschimpfte sie, bis zwei Ukrainerinnen weinten. Schülzke und seine Ordner ignorierten den Vorfall. Nur Werner Grünwald, ehemaliger DKP-Bundestagskandidat aus Märkisch-Oderland, schritt ein. Obwohl Grünwald zu den Leuten zählt, die dem Westen eine Mitschuld am Ukrainekrieg geben, und dem Putin-Anhänger in manchen Fragen Recht gab, konnte er ihn nicht zur Vernunft bringen.

Als die jungen Leute fort waren, stellte ich den Mann zur Rede, der sie verjagt hatte. Vor Wut zitternd bezeichnete er sie als instrumentalisierte Marionetten. Mich und alle Journalisten nannte er „Kriegshetzer“, obwohl er noch nie von mir gehört hatte, und das ukrainische Volk „Nazis“. Da viele seiner späteren Argumente mit denen übereinstimmen, die auf der Facebook-Seite der Frankfurter AfD stehen, fragte ich ihn, ob er dieser Partei angehöre. Das stritt der Demonstrant entrüstet ab, bezeichnete sich als Linker, und rief kurz danach: „Wenn es die AfD nicht gäbe, müsste man sie erfinden.“ Übrigens möchte er anonym bleiben.

Inzwischen ließen sich drei weitere Männer auf die Diskussion mit dem Russland-Versteher ein, und gaben wieder auf. Ich schlich mich zur anderen Seite der Kundgebung, um den Reden zu folgen und Fotos zu schießen. Doch das erlaubte der zweifelhafte Friedensaktivist nicht. Er verfolgte und bearbeitete mich mit Geschichten über angebliche Gräueltaten der NATO, die nichts mit der Ukraine zu tun haben, bis ich die Geduld verlor und die Veranstaltung verließ. „Sie hetzen wohl gegen jeden Krieg?“, brüllte er mir nach. „Sie sind ein Kriegshetzer.“

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